Newsletter - 2. Sonderausgabe August 2015

Ein klares «Ja» für den eidgenössischen Berufsabschluss

Sowohl menschlich als auch beruflich, von dem neuen Berufsabschluss im Bereich Alternativmedizin können Praktizierend in jeder Hinsicht profitieren, sagt Heidi Schönenberger. Als Co-Präsidentin der Organisation der Arbeitswelt Alternativmedizin OdA AM hat sie intensiv an der Entstehung des neuen Titels mitgewirkt – und selbst bereits die Prüfung dafür absolviert.

Frau Schönenberger, wie geht es jetzt bei der OdA AM weiter, nachdem der Berufsabschlusses Naturheilprakterin bzw. Naturheilpraktiker mit eidgenössischem Diplom anerkannt wurde? Was sind die Aufgaben und Ziele für die nächste Zeit?

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Heidi Schönenberger praktiziert seit 15 Jahren Naturheilkunde mit den Schwerpunkten traditionelle europäische Naturheilkunde TEN, klassische Homöopathie und Akupunktur-Massage nach Radloff. Sie ist seit 2014 Co-Präsidentin der Organisation der Arbeitswelt Alternativmedizin OdA AM.

Tja, wo soll ich da beginnen? Als Erstes möchte ich festhalten, dass sich alle Beteiligten enorm gefreut haben, nach 15-jähriger intensiver und fordernder Arbeit diesen Meilenstein der eidgenössischen Anerkennung des Berufs Naturheilpraktiker mit eidgenössischem Diplom erreicht zu haben.

Ihre Frage nach den nächsten Aufgaben und Zielen ist berechtigt, denn zurücklehnen kann sich die OdA AM noch lange nicht. Nach den zwei bereits durchgeführten Pilotprüfungen steht im November 2015 die erste offizielle Höhere Fachprüfung an. Da gibt es vor allem für die Qualitätssicherungskommission noch viel Arbeit zu erledigen. Die Übersetzungen der erforderlichen Dokumente in die Sprachen Französisch und Italienisch sind praktisch abgeschlossen, die Prüfungsvorbereitungen laufen auf Hochtouren.

Ausserdem sind die Gespräche mit den Stakeholdern der OdA AM in eine neue Phase getreten. Unser wichtigstes Ziel und zentrales Anliegen ist es, den neuen Beruf im Gesundheitswesen gut zu positionieren und für die Inhaber des eidgenössischen Diploms die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zu schaffen. Deshalb führen wir Gespräche mit den Krankenversicherern und den Registrierungsstellen. Dazu gehören auch Kontakte mit den Kantonen, um die Berufsausübung für die Therapeuten mit dem neuen Abschluss zu gewährleisten.

Nebst diesen Aufgaben gilt es auch, unsere Geschäftsstelle weiter zu professionalisieren, damit sie die wachsenden Anforderungen bewältigen kann.

Würden Sie bereits praktizierenden Therapeutinnen und Therapeuten empfehlen, den neuen Berufsabschluss anzustreben? Warum?

Ja sicher empfehle ich bereits Praktikzierenden sich der Herausforderung zu stellen und das eidgenössische Diplom zu erlangen! Es ist – auf verschiedenen Ebenen – eine Investition in die Zukunft: Wer dieses Ziel in Angriff nimmt, wird sich dabei sowohl mit sich als Mensch als auch mit sich als Berufsfachperson auseinander setzen. Dieser Prozess darf sicher als lohnenswert und erstrebenswert bezeichnet werden. Das Berufsverständnis und die mit dem Berufsalltag verbundenen Handlungen und Kompetenzen bekommen dadurch nochmals eine ganz andere Dimension. Ich selber habe an der im Juni durchgeführten Pilotprüfung teilgenommen und spreche somit auch aus eigener Erfahrung als Praktizierende.

« Persönlich bin ich auch stolz darauf, zukünftig einen eidgenössisch anerkannten Berufstitel führen zu können. » 

Weitere Gründe, die für den neu geschaffenen Berufsabschluss sprechen, sind die dadurch möglich gewordene Etablierung des Berufstands, die Anerkennung im Gesundheitswesen, das Sicherstellen einer hohen Patientensicherheit und die erhöhte Akzeptanz bei den Stakeholdern durch das einheitliche Berufsverständnis. Persönlich bin ich auch stolz darauf, zukünftig einen eidgenössisch anerkannten Berufstitel führen zu können. Meine Kompetenzen sind im Berufsbild festgehalten und attestieren mir ein solides und fachspezifisches Handeln.

Das Interesse an erfahrungsmedizinischen Behandlungsangeboten nimmt seit Jahren zu. Das zeigt nicht zuletzt auch die stetig steigende Zahl der beim EMR registrierten Therapeutinnen und Therapeuten. Was macht die Erfahrungsmedizin so populär? Was sind in Ihren Augen die Stärken und Schwächen?

Ich könnte nun die allgemein geäusserten Formulierungen von ganzheitlich, natürlich, sich Zeit nehmen etc. erwähnen und ausschmücken – das möchte ich jedoch nicht tun. Meiner Meinung nach ist die Tatsache, dass die Bevölkerung lernt, Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen und Bestehendes zu hinterfragen, der wesentliche Faktor, welcher der Komplementärmedizin zu neuem Ansehen und Respekt verhilft. Die Menschen erlauben sich vermehrt, sich Schwäche und Unvollkommenheit zuzugestehen, Perfektionismus und absolute Macht nicht als das Mass aller Dinge zu sehen. Dadurch entwickeln sie auch in den Bereichen Gesundheit, Wohlergehen und Lebensgestaltung andere Bedürfnisse. Dies korreliert aus meiner Sicht mit der Inanspruchnahme der Alternativ- und Erfahrungsmedizin. Diese Art von Behandlung fordert ein Auseinandersetzen mit sich selbst und den persönlichen Ressourcen. Es gibt nicht das absolut Gesunde oder das totale Kranksein – gemeinsam wird im Bereich Komplementärmedizin das individuell Bestmögliche für den Patienten gesucht. Dies ist aus meiner Sicht sicher eine Stärke der Erfahrungsmedizin.

Da es ja immer auch eine Kehrseite der Medaille gibt, würde ich sagen, dass man nicht von einer Schwäche der Komplementärmedizin sprechen kann, sondern dass oft falsche Ansprüche seitens der Therapeuten und Patienten an sie gestellt werden. Kein Medizinsystem kann alle Ansprüche erfüllen und so gilt es, für jeden Menschen die passende Behandlung und das passende Medizinsystem zu wählen.

Welchen Stellenwert hat die Qualitätssicherung in diesem Bereich? Welche Bedeutung hat dabei das EMR?

Qualitätssicherung ist eine wichtige Voraussetzung, um die Patientensicherheit sicher zu stellen, und das hat oberste Priorität! Ihr gilt es ein besonderes Augenmerk zu widmen. Eine fundierte Ausbildung sowie eine konstante und zielgerichtete Weiterbildung sind sicher die Eckpfeiler in diesem Gebilde. Hier hat das EMR ganz klar eine Vorreiterrolle übernommen. Man darf sich jedoch nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass Qualitätssicherung stets auch ihre Mängel hat, da es ja ein standardisiertes Überprüfen von Wissen und Kompetenzen ist. Persönliche Haltungen, Wertvorstellungen, Charaktereigenschaften und Ethik lassen sich nur begrenzt überprüfen – und diese Faktoren sind doch oft entscheidend dafür, ob sich ein Heilungserfolg einstellt oder nicht.

« Qualitätssicherung ist eine wichtige Voraussetzung, um die Patientensicherheit sicher zu stellen, und das hat oberste Priorität! » 

Frau Schönenberger, Sie sprechen von einer Vorreiterrolle des EMR. Meinen Sie der Erfahrungsschatz des EMR könne auch in Zukunft für die Therapeutinnen und Therapeuten nützlich sein?

Mit Vorreiterreiterrolle meine ich die Schaffung einer Stelle, die einheitliche Kriterien für die Qualitätssicherung institutionalisiert hat. Wenn Sie den Erfahrungsschatz des EMR ansprechen, so verstehe ich darunter das gesamte Know-how im Bereich Registrierung. Hier hat sich das EMR enorm weiterentwickelt und wird für die Therapeutinnen und Therapeuten insgesamt auch weiterhin eine grosse Bedeutung haben.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich für das Gesundheitssystem der Zukunft wünschen?

Ich wünsche mir, dass das Gesundheitssystem in seiner ganzen Vielfalt für alle Menschen zugänglich und nutzbar ist, soweit es der wirklichen Genesung und Gesundung dienlich ist. Die vermehrte Zusammenarbeit der unterschiedlichen Medizinsysteme und der gegenseitige Respekt sind die Grundlagen für die Erfüllung meines Wunsches.


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