Newsletter Juli 2016

Mit neuem Berufsabschluss gut gerüstet für die Zukunft: Erfahrungsbericht eines frisch diplomierten Naturheilpraktikers

Seit April 2015 gibt es den eidgenössisch anerkannten Berufsabschluss für nichtärztliche Alternativmedizin: Therapeutinnen und Therapeuten können seitdem den Titel Naturheilpraktikerin oder Naturheilpraktiker mit eidgenössischem Diplom in einer von vier Fachrichtungen erwerben. Mit dabei bei einer der ersten Prüfungen im April 2016 war Mathias Blaser, ein langjähriger Mitarbeiter des EMR. Über seine Erfahrungen mit der Höheren Fachprüfung berichtet er im Interview.

Mathias, warum hast du dich entschieden, die Höhere Fachprüfung für Naturheilpraktiker zu absolvieren?

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Mathias Blaser

Neben meiner Teilzeittätigkeit im Fachbereich des EMR arbeite ich seit 15 Jahren als Homöopath mit eigener Praxis in Bern. Die Reglementierung unseres Berufes auf eidgenössischer Ebene und die damit einhergehende Aufwertung und Professionalisierung unseres Berufsstands habe ich von Anfang an begrüsst. Deshalb war ich zwischen 2004 und 2007 auch im Vorstand des Homöopathieverbands Schweiz tätig. Mir war von vornherein klar, dass ich die eidgenössische Prüfung absolvieren würde, sobald ich dazu die Möglichkeit hätte.

Welche Vorgaben musstest du erfüllen, um zur Höheren Fachprüfung zugelassen zu werden?

Da ich bereits über 15 Jahre Berufserfahrung verfüge, konnte ich von der Übergangsregelung profitieren. Die Zulassungsbestimmungen für die Höhere Fachprüfung waren dadurch für mich problemlos zu erfüllen: Ich musste eine Kopie des Passes, einen AHV-Ausweis und einen Strafregisterauszug vorlegen sowie Nachweise für einen Abschluss auf Sekundarstufe 2 (Drogist EFZ), für meine Berufstätigkeit (Bestätigung einer Berufshaftpflichtversicherung für die Dauer meiner Berufstätigkeit) und für meine Aus- und Fortbildung. Für letzteres genügte eine Bestätigung des EMR über meine lückenlose Registrierung seit 2001 in der Methode Nr. 91 Klassische Homöopathie. Schon bald nach dem Einreichen der Unterlagen erhielt ich die Bestätigung, dass ich zur Prüfung zugelassen sei. Ich musste nur die Prüfungsteile 1 (Fallstudie) und 2 (Fachgespräch zur Fallstudie) absolvieren, von den Prüfungsteilen 3 und 4 wurde ich im Rahmen der Übergangsregelung befreit.

Wie ist es dir bei der Anfertigung der Fallstudie ergangen?

Mit der Fallstudie soll man am Fall eines konkreten Patienten zeigen und dokumentieren, wie man diese Person während mindestens sechs Monaten in der eigenen Praxis behandelt und betreut. Die Leitfäden und Dokumente der OdA AM dazu fand ich sehr verständlich formuliert. Eine Unklarheit wurde mir kompetent durch das Prüfungssekretariat der Oda AM per E-Mail beantwortet.

Ansonsten ist man mit der Fallstudie auf sich selbst gestellt. Eine selbstständige Arbeitsweise gehört unter anderem auch zu den Kompetenzen, die für das Berufsbild gefordert werden. Diese Kompetenz ist für den Praxisalltag unerlässlich, denn dort muss man ja auch ständig selbstständig Entscheidungen treffen.

Bereits bei der Auswahl eines passenden Patienten – in meinem Fall einer Patientin – sollte man darauf achten, dass alle Anforderungen für die Fallstudie erfüllt werden können. So kommt es beispielsweise darauf an, einen Fall zu finden, der nicht nur methodisch interessant ist, sondern anhand dessen sich auch eine ganzheitliche Beratung und Behandlung des Patienten aufzeigen lässt. Selbstverständlich musste ich von der Patientin eine Einverständniserklärung einholen, dass ich ihren Fall im Rahmen der Fallstudie anonym verwenden durfte.

Das Erstellen der Arbeit erwies sich als wesentlich zeitaufwändiger als ich gedacht hatte. Einiges an Wissen über das Anfertigen einer Arbeit im wissenschaftlichen Format musste ich mir erst aneignen, so zum Beispiel wie man Quellen im Text korrekt zitiert und sichtbar macht. Hilfreich für mich waren auch die Inputs von Berufskollegen, mit denen ich mich regelmässig in meiner Praxis zum fachlichen Austausch treffe.

Insgesamt habe ich drei bis vier Monate gebraucht, um die Fallstudie fertig zu stellen. Es war nicht immer einfach, neben meiner Praxistätigkeit, meiner Tätigkeit im Fachbereich des EMR und meiner Familie dafür genügend Zeitfenster zu finden.

Was hast du durch die Arbeit an der Fallstudie gelernt?

Nach 15 Jahren Praxistätigkeit war es enorm interessant, die eigene Vorgehensweise zu reflektieren und in das vorgegebene Format zu bringen. Durch die Arbeit an der Fallstudie ist mir bewusst geworden, wie wichtig ein wissenschaftliches Format auch im Bereich der Naturheilkunde ist. Zu oft vermischen sich in Texten der Erfahrungsmedizin die Grenzen zwischen eigenen Ansichten und klassischen Methodenstandards, weil die verwendeten Quellen nicht klar ersichtlich gemacht werden.

Durch den Abgleich meiner therapeutischen Arbeit mit dem Berufsbild der OdA AM ist mir ausserdem noch einmal klarer geworden, welche Aufgaben ein Homöopath neben dem Finden und Verschreiben eines passenden homöopathischen Mittels noch abdeckt: Durch die umfassende Anamnese und Analyse deckt er Zusammenhänge der Krankheitsentstehung auf. Ein Naturheilpraktiker arbeitet ressourcenorientiert und stärkt durch seine beratende Tätigkeit die Gesundheitskompetenz der Patienten. Gerade mit diesen Kompetenzen leisten Naturheilpraktiker einen sehr wichtigen Beitrag für die Gesundheit der Bevölkerung.

Zur Höheren Fachprüfung gehört auch eine mündliche Prüfung. Welche Erfahrungen hast du dabei gemacht?

Die mündliche Prüfung ist ein Fachgespräch zu der abgegebenen Fallstudie. Im ersten Teil der Prüfung habe ich meine eigene Arbeit präsentiert, danach haben mir zwei Prüfungsexperten der OdA AM Fragen dazu gestellt. Das Klima in der Prüfung war sehr angenehm, die Prüfer haben sich fair und sachlich verhalten. Etwas erstaunt war ich über Fragen, die aus meiner Sicht mit der eigentlichen Fallstudie wenig zu tun hatten: So wurde ich zum Beispiel gefragt, welche Verhütungsmethoden man meiner Patientin hätte anraten können – obwohl ihre Hauptbeschwerden Nahrungsmittelintoleranzen waren.

Was erhoffst du dir von dem neuen Berufstitel?

Ich denke, dass sich der Stellenwert des eidgenössischen Diploms erst in ein paar Jahren zeigen wird. Rechtlich gesehen bringt mir der neue Abschluss noch nicht viel. Ich möchte aber für die Zukunft gerüstet sein. Niemand weiss, ob die Ausübung der Homöopathie durch die kantonalen Gesetze bald nur noch eidgenössisch Diplomierten vorbehalten sein wird. Unklar ist momentan auch, wie die Krankenkassen künftig ihre Zusatzversicherungsprodukte gestalten werden.

Ich erhoffe mir zudem, dass unser Berufsstand durch das neue Berufsbild in der Aussenwelt klarer wahrgenommen wird, dass sich die Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsfachpersonen leichter gestaltet und dass sich daraus neue Anschlussmöglichkeiten in der Bildungslandschaft ergeben werden.

Wie wirkt sich dein neuer Titel auf die Registrierung beim EMR aus?

Momentan bin ich beim EMR für die Methode Nr. 91, Klassische Homöopathie, registriert. Ich werde mich jetzt auch für die Nr. 320, Naturheilpraktiker/in mit eidgenössischem Diplom in Homöopathie, registrieren. Für die Registrierung der eidgenössisch anerkannten Berufsbilder hat das EMR eigens ein vereinfachtes, kostengünstigeres Registrierungsverfahren eingerichtet. Das dafür vorgesehene Registrierungsformular ist deutlich kürzer und lässt sich schnell ausfüllen. Um meine Ausbildung nachzuweisen, brauche ich dem Registrierungsgesuch nur die Bestätigung der bestandenen Prüfung beilegen. Das ermöglicht es mir, mich zeitnah für den neuen Berufsabschluss zu registrieren, denn das endgültige eidgenössische Diplom bekomme ich erst später, anlässlich der Diplomfeier der OdA AM. Dank der neuen Fort- und Weiterbildungsordnung des EMR brauche ich künftig für die Erneuerung meines Labels für Methode und Berufsabschluss zusammen nur noch 20 Stunden Fort- und Weiterbildung nachzuweisen.

Interview: Bärbel Weiss


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