Newsletter Dezember 2017

Von der Patientenbeziehung hängt viel ab

Therapeutische Behandlungserfolge lassen sich zu einem beachtlichen Teil auf die Beziehung zur Patientin bzw. zum Patienten zurückführen: Das ist das Fazit eines Symposiums des Instituts für komplementäre und integrative Medizin am UniversitätsSpital Zürich.

PhotoDie Referenten Stewart W. Mercer und Christoph Flückiger, Claudia Witt und Jürgen Barth vom IKI sowie Referent Fabrizio Benedetti (v.l.n.r. – Bild: C. Witt)

Der Patient erhält nach einer Operation intravenös das Schmerzmittel Metamizol, ohne dass er darüber informiert wird. Die Wirkung (Schmerzreduktion) fällt bescheiden aus. Wenn dagegen ein Arzt eine Injektion verabreicht und seine Vorgehensweise und die Wirksamkeit des Medikaments freundlich erklärt, wirkt das gleiche Schmerzmittel zirka drei Mal stärker, hat Professor Fabrizio Benedetti in Zürich erläutert. Benedetti, ein international führender Placeboforscher von der Universität Turin, war einer der hochkarätigen Referenten am Symposium «Patient provider interaction: the impact of empathy, alliance and trainings» (Patienten-Behandler-Interaktion: Bedeutung von Empathie, Beziehung und Schulungen) des Instituts für komplementäre und integrative Medizin (IKI) am UniversitätsSpital Zürich. Anhand von Beispielen wie dem oben genannten untermauerten die Wissenschaftler, welche Bedeutung den «weichen», psychologischen Faktoren bei medizinisch-therapeutischen Behandlungen zukommt.

Erwartungen wirken wie ein Schmerzmittel

Worte und Rituale beeinflussen demnach wesentlich, bis zu welchem Grad ein Medikament respektive Placebo wirkt oder wie wirksam eine Therapie ausfällt. Denn die Umstände einer Behandlung und vorherige Erfahrungen lösen bei Patientinnen und Patienten positive oder negative Erwartungen aus. Die positiven wirken wie ein Schmerzmittel auf die Rezeptoren im Gehirn, die negativen verstärken vorhandene Schmerzen noch. Weil die Erwartungen von Worten und Ritualen abhängen, die wiederum von der Empathie der behandelnden Person geprägt sind, kommt der Beziehung zwischen Patientin oder Patient und Behandlerin oder Behandler eine herausragende Bedeutung zu.

Diese Erkenntnis wird in Schottland erfolgreich in die Praxis umgesetzt, wie Professor Stewart W. Mercer von der Universität Glasgow berichtete. In Schottland gibt es ein grosses gesundheitliches Gefälle zwischen armen und reichen Regionen respektive Quartieren. Um der schlechteren Versorgung von benachteiligten Bevölkerungsgruppen entgegenzuwirken, wurde eine Studie mit dem Ziel durchgeführt, die Behandlungen und Therapien zu verbessern. Die Studie, in der die Daten von 3000 Konsultationen ausgewertet wurden, zeigte, dass für 70 bis 80 Prozent der Patientinnen und Patienten Empathie sehr wichtig ist und sich positiv auf die Behandlungsergebnisse auswirkt.

Lernprogramm fördert Empathie gegenüber Patienten

Daraufhin förderte und finanzierte die schottische Regierung ein umfassendes Programm, um die Empathie der Behandelnden zu steigern. In dessen Rahmen wurde ein webbasiertes Lernprogramm entwickelt, das dabei hilft, mehr auf die Patientinnen und Patienten einzugehen. Aus dem Empathie-Förderungsprogramm entstand wiederum eine neue Studie, die unter anderem zum Schluss führte, dass es auch viel bringt, die Zeit pro Behandlung zu erhöhen. Dieses Ziel ist in den aktuellen Vertrag der schottischen Regierung mit den Allgemeinärzten eingeflossen. Laut Mercer werden die Kosten im Gesundheitswesen dank der so erzielten Behandlungserfolge letztlich reduziert.

Offenbar handelt es sich beim Einfluss der Patienten-Behandler-Beziehung auf die Behandlungsergebnisse um ein durchgehendes Phänomen. Diesen Schluss lässt eine Metaanalyse zu, bei der 307 Studien aus den Jahren 1980 bis 2017 aus dem Bereich der psychischen Gesundheit ausgewertet wurden. Laut Professor Christoph Flückiger von der Universität Zürich zeigte die Analyse einerseits, dass eine positive Patienten-Behandler-Beziehung das Behandlungsergebnis deutlich verbessert. Und anderseits hätten weder die Art der Erkrankungen (z.B. Depression, Schizophrenie, Borderline-Syndrom) noch die Behandlungsmethode oder das Studiendesign einen systematischen Einfluss auf dieses Phänomen. Somit kann vermutlich davon ausgegangen werden, dass die Patientenbeziehung bei erfahrungsmedizinischen Behandlungen eine ähnlich wichtige Rolle spielt.

Dies sind die «Steckbriefe» der drei Referenten des Symposiums:
Professor Fabrizio Benedetti ist Leiter der Abteilung Neurowissenschaften an der medizinischen Fakultät der Universität von Turin.
Professor Stewart W. Mercer ist Professor für Allgemeinmedizin am Institute of Health and Wellbeing an der Universität von Glasgow.
Professor Christoph Flückiger ist Leiter Allgemeine Interventionspsychologie und Psychotherapie des Psychologischen Instituts der Universität Zürich.

Sehen Sie auf der Website des IKI die Videos der Referate:
>Videos zum IKI-Symposium zur Patienten-Behandler-Interaktion


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