EMR • RME – Qualität in der Erfahrungsmedizin
Machen Sie die Erfahrungsmedizin noch bekannter

Ein Professor geht der Erfahrungsmedizin auf den Grund

Seit dem 1. Februar 2020 gibt es an der Universität Basel am Departement für Pharmazeutische Wissenschaften einen Lehrstuhl für «translationale Komplementärmedizin». Inhaber dieses Lehrstuhls ist der 42-jährige Prof. Dr. Carsten Gründemann. Der Biologe hat sich am Uni-Zentrum Naturheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg im Breisgau einen Namen gemacht. Er baute dort den Grundlagenforschungsbereich auf und wurde für seine Projekte mit Wissenschaftspreisen ausgezeichnet. Zu den Forschungsschwerpunkten Gründemanns zählt die Untersuchung von Therapiekonzepten der Erfahrungsmedizin, insbesondere der Phytotherapie, der Anthroposophischen Medizin und der Traditionellen Chinesischen Medizin.

Herr Prof. Dr. Gründemann, bald nach Aufnahme Ihrer Tätigkeit an der Universität Basel begann für uns alle eine bewegte Zeit durch die Massnahmen gegen das Coronavirus. Inwieweit hat dies Ihren Start beeinflusst? Wie haben Sie die ersten Monate als Professor für translationale Komplementärmedizin erlebt?

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Prof. Dr. Carsten Gründemann

Ich wurde sehr herzlich im Departement für Pharmazeutische Wissenschaften begrüsst und aufgenommen und ich bin dankbar dafür, dass ich an der Universität Basel die Möglichkeit habe, den Bereich der translationalen Komplementärmedizin aufzubauen und zu etablieren. Natürlich hat die Situation um die Corona-Pandemie die Dinge beeinflusst, ich konnte dadurch jedoch im Hintergrund viele Sachen in Ruhe auf den Weg bringen, die für meine zukünftigen Vorhaben wichtig sind.

Was versteckt sich hinter dem Begriff translationale Komplementärmedizin und was bedeutet dieser für Ihren Forschungsauftrag?

Grundsätzlich bedeutet das Wort «translational» die Umsetzung oder den Transfer von Wissen aus der Laborforschung in die klinische Praxis – im Fall meines Lehrstuhls speziell für die Bereiche Phytotherapie, Anthroposophische Medizin und Traditionelle Chinesische Medizin. Für mich war es schon immer ein entscheidender Antrieb, dass die Dinge, an denen ich forsche, irgendwann einmal bei den Menschen ankommen und nicht in der Schublade verschwinden.

Welche Themen stehen im Vordergrund Ihrer Forschungstätigkeit in Basel und welche Ziele möchten Sie erreichen?

Die Evaluierung von Konzepten der Erfahrungsmedizin wie der Phytotherapie und der Anthroposophischen Medizin wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen. In diesem Bereich habe ich in den vergangenen Jahren Grundlagen erarbeitet, auf denen ich nun sehr gut aufbauen kann.

Weiter arbeite ich in einem Verbundprojekt der Universitäten Zürich, Basel und Freiburg im Breisgau. Dieses Projekt wird durch den Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen des Sinergia-Programms finanziert und untersucht die Sicherheit von pflanzlichen Arzneimitteln, die bei nicht-psychotischen Erkrankungen während der Schwangerschaft eingesetzt werden. Solche Arzneimittel sind schon länger in der Anwendung und wir wollen nun wissen, ob sie auch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus sicher sind.

Darüber hinaus lege ich einen Fokus auf die Wirkung von Wärme. Sie ist für verschiedene erfahrungsmedizinische Konzepte zentral. Ich möchte mir aber auch Therapiekonzepte aus anderen Kulturen ansehen und diese mit unseren mitteleuropäischen Ansätzen vergleichen und herausfinden, welche Gemeinsamkeiten sie aufweisen.

Wie können Sie mit Ihrer Arbeit die Erfahrungsmedizin und damit deren Therapeutinnen und Therapeuten stärken?

Zur Erfahrungsmedizin zählen ja viele zahlreiche Therapierichtungen und -konzepte. Wie schon erwähnt forsche ich im Bereich der Phytotherapie und der Anthroposophischen Medizin. Auf diesem Gebiet kann ich einen direkten Beitrag für eine vertiefte wissenschaftsbasierte Evaluierung leisten, auf die sich die Therapeutinnen und Therapeuten stützen können.

Welche Bedeutung messen Sie der Erfahrungsmedizin im Gesundheitswesen bei und welche künftigen Möglichkeiten sehen Sie dafür?

In der Erfahrungsmedizin gibt es Schätze, die gehoben werden können. Aus Forschersicht muss ich genau prüfen, welche Bereiche ein Potenzial haben, wissenschaftlich erfolgreich evaluiert zu werden. Grundsätzlich geht es in vielen Bereichen der Erfahrungsmedizin im Gegensatz zur Schulmedizin nicht darum, Symptome zu lindern, indem bestimmte zelluläre Prozesse gehemmt oder aktiviert werden. Diese Therapien versuchen vielmehr, einen körpereigenen Selbstregulationsprozess anzuregen, sodass eine nachhaltige Heilung des jeweiligen Organismus stattfinden kann. Dieses Vorgehen wäre für die Gesunderhaltung jedes Individuums von grösster Bedeutung, und gesunde Menschen belasten natürlich das Budget der Krankenkassen weniger. Somit würde das Gesundheitswesen seinen Namen verdienen.

Was liegt Ihnen noch besonders am Herzen, das Sie den Therapeutinnen und Therapeuten mitteilen möchten?

Folgen sie Ihrem Herzen und machen sie nur solche Dinge, die damit voll und ganz im Einklang stehen. Grundsätzlich möchte ich alle Praktizierenden motivieren, zu Forschern zu werden und sich Gedanken darüber zu machen, wie sie ihre Therapierichtung wissenschaftlich untersuchen und vorantreiben können.

In Ihrer Freizeit betätigen Sie sich als Imker. Was fasziniert Sie an diesem Ausgleich zu Ihrer Forschungstätigkeit?

Bienen sind faszinierende Wesen und wir können viel davon lernen, wie sie die Dinge angehen und wie sie gemeinschaftlich zusammenleben. Honig, Wachs und Propolis sind fantastische Heilmittel, die uns die Bienen zur Verfügung stellen. Wenn ich an den Bienenstöcken arbeite, vergesse ich die Zeit und alles um mich herum. Dann bin ich voll und ganz mit der Natur verbunden. Das macht mich ausgeglichen und gibt mir Kraft für Neues!

 

Erfahrungsmedizin auch an Universitäten auf dem Vormarsch

Mit dem neuen Lehrstuhl für «translationale Komplementärmedizin» an der Universität Basel schreitet die Einbindung der Erfahrungsmedizin in die Wissenschaft weiter voran. Dies entspricht einer der Forderungen nach der eidgenössischen Volksabstimmung von 2009, in der eine deutliche Mehrheit für eine Stärkung der Erfahrungsmedizin stimmte. Angehende Ärzte, Apotheker, Zahnärzte, Chiropraktoren und Tierärzte sollen sich demnach an der Universität angemessene Kenntnisse dazu aneignen können. Ein weiteres Ziel ist es, die Wirksamkeit erfahrungsmedizinischer Therapien mit wissenschaftlichen Methoden zu überprüfen. Folgende universitären Einrichtungen beschäftigen sich derzeit mit Erfahrungsmedizin:

 


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