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«Der Alltag hat mich nach dem Lockdown völlig im Griff»

Der Corona-Lockdown war insbesondere auch für Therapeutinnen und Therapeuten ein einschneidendes Erlebnis. Und die Pandemie beeinflusst die tägliche Arbeit weiterhin – durch die unabdingbaren Schutzmassnahmen. Viele erleben dabei, dass sie der Wiederanfang nach dem Lockdown stark in Beschlag nimmt. So sagte uns eine Therapeutin: «Der Alltag hat mich nach dem Lockdown völlig im Griff.» Die Stimmungsberichte von Therapeutinnen und Therapeuten aus der ganzen Schweiz zeigen, wie sie den Lockdown und die Zeit danach erlebt haben.

Lehrreiche Erfahrung auf der Covid-Auffangstation

Silvia Nyffenegger, TCM-Therapeutin, TCM-Praxis für Akupunktur, Phytotherapie und Massage in Zell LU, Profil im EMR-Guide

«Erfahrungsmedizinische Therapeutinnen und Therapeuten sollten auch in Situationen wie der Corona-Pandemie unbedingt behandeln dürfen, selbst an Spitälern. Als ich im Spital arbeitete, merkte ich, wie wichtig es ist, dass die Patientinnen und Patienten beruhigt werden. Zwei Wochen lang war ich im Spital Langenthal auf der Covid-Auffangstation. Die Leute dort hatten extreme Angst, was natürlich das Immunsystem schwächt, und Panik führt sogar zu Atemnot. Das habe ich schon früher erlebt, als ich sechs Jahre lang in der Notfallstation arbeitete.

Es wäre wünschenswert, diese Angst zu mildern und das Immunsystem zu stärken. In diesem Zusammenhang bräuchte es unbedingt erfahrungsmedizinische Alternativen. Ich würde es deshalb sehr begrüssen, wenn die Schul- und die Erfahrungsmedizin in Zukunft mehr zusammenarbeiten.

Meine Praxis war vom 16. März bis 27. April geschlossen, denn ich konnte faktisch nicht mehr arbeiten. Nur mit einem ärztlichen Zeugnis hätten Patientinnen und Patienten noch zu mir kommen können. Es wäre schwierig gewesen, ihnen zu vermitteln, dass sie zuerst bei einem Arzt ein Zeugnis einholen müssen.

Seit ich die Praxis wieder geöffnet habe, kommen mehr Patientinnen und Patienten als vor dem Lockdown. Dieser war natürlich ein Schritt zurück, was das anbelangt, aber jetzt bin ich daran, die gestrichenen Behandlungen wieder aufzuarbeiten.

Insgesamt zeigt uns die Corona-Pandemie, dass für den Menschen nicht alles möglich ist. Während des Lockdowns mussten wir mit Einschränkungen leben und umgehen können. Dies bot aber auch die Chance, zu sich selber zu finden.»

Freude über persönliches Vertrauen

Mirko Rossini, Medizinischer Masseur, «Massoterapia Rossini» in Biasca, Profil im EMR-Guide

«Natürlich konnte ich als Masseur während des Corona-Lockdowns nicht arbeiten. Ich habe aber das Beste daraus gemacht und die Zeit mit meiner Familie genossen. Dadurch machte mir das Virus auch keine Angst. Was das Finanzielle anbelangt, war ich froh über den Erwerbsersatz durch die Ausgleichskasse.

Die Wiederaufnahme meiner Tätigkeit verlief eigentlich ganz normal – ohne einen Rush. Was mich aber ungemein freute: Die Patientinnen und Patienten waren sehr zufrieden, als sie wieder zu mir kommen konnten. Das liegt sicher daran, dass bei medizinischen Massagen das persönliche Vertrauen eine grosse Rolle spielt.

Die Schutzmassnahmen – vor allem die Masken – bilden natürlich eine Barriere. Aber ich begrüsse sie als notwendigen Schutz vor dem Virus.»

Zweifel am Entscheid zu schliessen

Vanessa Juget, Osteopathin, «Cabinet d'Ostéopathie» in Genf, Profil im EMR-Guide

«Nach der Verordnung des Bundesrats schloss ich meine Praxis am 17. März. Die Patientinnen und Patienten begannen ohnehin, Angst zu haben – zum Beispiel wegen der Anweisungen der Arbeitgeber, daheim zu bleiben. Oder sie stellten sich die Frage, ob es Sinn machen würde, für eine Therapie rauszugehen. Einige waren in Kontakt mit Angesteckten, andere Patientinnen und Patienten gehören zu Risikogruppen. Auf alle Fälle gab es zu viele Unbekannte, um die Praxis offen zu halten. Es wären auch nur absolut notwendige Behandlungen möglich gewesen. Ich wollte keine Risiken eingehen und hatte ausserdem gar nicht das nötige Schutzmaterial.

In den ersten zwei Wochen der Schliessung fragte ich mich, ob ich vernünftig gehandelt hatte. Danach sah ich aufgrund der vielen Krankheitsfälle, dass mein Entscheid richtig war. Ich habe diese Periode genutzt und mir Zeit für mich genommen.

Was die finanziellen Ausfälle anbelangt, informierte ich mich darüber, wie ich Erwerbsersatz erhalten könnte. Aber ich musste erfahren, dass ich dazu nicht berechtigt bin, weil meine massgeblichen Einnahmen den Maximalbetrag überschritten. In diesem Fall bekommt man gar nichts. Da ich die Praxis nach sechs Wochen, am 30. April, wieder aufmachen konnte, hält sich der Schaden noch einigermassen in Grenzen.

Die Wiedereröffnung verlief sehr erfreulich und ganz unspektakulär. Die Patientinnen und Patienten kehrten zurück, als ob nichts gewesen wäre. Bei jenen mit Risikofaktoren wartete ich bis Mitte Juni, bis ich sie wieder behandelte – natürlich mit den nötigen Schutzmassnahmen.

Was mich diese Zeit des Corona-Lockdowns mehr denn je gelehrt hat: Das Wichtigste ist es, gesund zu bleiben.»

Panikattacken und Schlafstörungen als Folgen

Antonina Vogler-Petretta, klassische Homöopathin, Vital Care-Praxis für klassische Homöopathie in Basel, Profil im EMR-Guide

«Natürlich ist auch mir während der letzten Wochen einiges durch den Kopf gegangen. Noch vor dem Lockdown wusste niemand richtig, wie gefährlich das Coronavirus wirklich ist. Deshalb habe ich vollstes Verständnis für die getroffenen Massnahmen des Bundesrats.

Es war für mich als Homöopathin nicht klar, ob ich meine Praxistätigkeit weiterführen kann. Schliesslich entschied der Kanton Basel-Stadt, dass Homöopathen ebenfalls keinen direkten Kontakt mit Patientinnen und Patienten haben dürfen. Gerade während dieser Zeit riefen mich verunsicherte Menschen an. Die omnipräsent lauernde Gefahr löste grosse Ängste aus, denn viele wissen nicht, was sie aktiv für ihre Gesundheit tun können.

Selbstverständlich habe ich keine Sekunde gezögert und meine Patientinnen und Patienten telefonisch oder per Internet betreut – um durch homöopathische Arzneien Beschwerden zu behandeln, die durch Erwartungsängste, Todesängste oder durch finanzielle Ängste ausgelöst werden.

Seit ich meine Praxis wieder öffnen durfte, melden sich vermehrt Leute mit Panikattacken und Schlafstörungen. Besonders zu kämpfen haben Menschen, die bereits zuvor mit ähnlichen Symptomen zu tun hatten. Die Folgeschäden durch die häusliche Isolation und durch den Kontrollverlust sind deutlich ersichtlich.

Diese Krise hat erneut gezeigt, dass im Ernstfall nur schulmedizinische Behandlungsverfahren angeboten und akzeptiert werden. Die Bedrohung und die Bekämpfung des Virus steht dermassen im Mittelpunkt, dass eine Diskussion über die Stärkung des Immunsystems mit Hilfe des Schatzes der Erfahrungsmedizin gänzlich vergessen oder ignoriert wird.

Das Immunsystem ist aber entscheidend! Der Aufbau und die Stärkung der Widerstandskräfte sind heute wichtiger denn je. Aus diesem Grund wünsche ich mir, dass die Erfahrungsmedizin in Krisensituationen eine viel grössere Gewichtung im Gesundheitssystem bekommt.»

Neuorientierung dank des Lockdowns

Jean-Claude Salamin, Naturheilpraktiker, «Institut de Naturopathie» in Siders, Profil im EMR-Guide

«Die Pandemie führte dazu, dass ich meine gesamte Praxistätigkeit einstellen musste, dies ab dem 16. März 2020. Doch hatte ich das Glück, meine Stelle als Heilpraktiker in der Apotheke in Savièse zu behalten.

Zuerst hielt ich das Vorgehen des Bundes für einen Irrtum und für viel zu übertrieben. Doch mit der Zeit und aufgrund der dann tatsächlich aufgetretenen Probleme im Gesundheitswesen erachtete ich die ergriffenen Massnahmen als notwendig.

Da ich seit mehr als 30 Jahren im Gesundheitsbereich tätig bin, gelingt es mir, die Dinge zu relativieren und nicht zu dramatisieren. Ausserdem machte es die Corona-Situation möglich, dass ich wirksame Schutzmassnahmen für die Apotheke umsetzen konnte, in der ich arbeite (Plexiglas, Markierungen, Kundeninformation, notwendige Hygienemassnahmen usw.).

Ich reagierte auf die Situation, indem ich mich voll und ganz auf die Arbeit in der Apotheke konzentrierte. Das hat es mir erlaubt, meinen Beruf weiter auszuüben und andere Facetten davon zu entdecken. So stellte ich dadurch manches in Frage und begann die Tätigkeit in meiner Praxis neu auszurichten – mit neuen Perspektiven, die mehr auf die wirkliche Naturheilkunde ausgerichtet sind, so wie ich sie verstehe.

Die Wiederaufnahme der Tätigkeit in der Praxis verlief sehr langsam. Man spürte deutlich, dass die Leute immer noch vorsichtig waren und nicht sofort nach dem Ende des Lockdowns kamen. Dasselbe war in der Apotheke zu beobachten: Wir machten viele Hauslieferungen. Und nun sehen wir seit einiger Zeit, dass die Menschen wieder rausgehen und von sich aus zurückkommen.»

Existenzängste wieder verschwunden

Doris Riz-Biasco, Kunsttherapeutin, Praxis zur Rose in St. Gallen, Profil im EMR-Guide

«Meine Teilzeit-Anstellung als Kunsttherapeutin in der Gravita (Tagesklinik für Psychotraumatologie mit Flüchtlingen) in St. Gallen wurde mit Beginn des Lockdowns sofort auf Kurzarbeit umgestellt. Somit hatte ich zwei Tage in der Woche «frei». Diese Zeit habe ich als sehr entschleunigend und als ein Zeitgeschenk für mich persönlich erlebt.

In der eigenen Praxis war ich anfangs verunsichert durch die vielen Informationen des Bundes und der Berufsverbände, die für mich keine klaren Aussagen über meine Arbeitssituation enthielten. Täglich stellte ich mir die Frage: Darf ich noch arbeiten? Auch nach Absprache mit Berufskolleginnen war keine eindeutige Vorgabe erkennbar.

So entschied ich mich, auf mein Bauchgefühl zu hören und auf die Eigenverantwortung meiner Klientinnen und Klienten. Die Risikopatientinnen und -patienten haben sich selbst zurückgezogen. Mit einem persönlichen Brief habe ich unter anderem auf ein Therapieangebot per Telefon hingewiesen, das aber niemand genutzt hat. So blieb ich mit diesen Menschen in einem stillen Kontakt.

Mein Atelier konnte ich gut gemäss den vorgegebenen Schutzmassnahmen einrichten. Es war auch spürbar, dass sich die Klientinnen und Klienten sicher fühlten. Mit gegenseitiger Achtsamkeit und Respekt vor dem Virus hatten wir uns schon bald an die Besonderheiten gewöhnt.

Die verschiedenen Rückmeldungen haben mir zusätzlich das Gefühl gegeben, alles richtig gemacht zu haben. Ganz oft hörte ich die Worte: «Ich bin dir so dankbar, dass ich zu dir kommen kann, alle anderen Angebote finden nicht mehr statt.»

Zu meinem grossen Erstaunen hatte ich in dieser herausfordernden und unsicheren Zeit sogar Neuanmeldungen und Anfragen für Überweisungen. Schon nach ein paar Tagen im Lockdown waren meine Existenzängste verschwunden, und ich konnte mit einem sicheren Gefühl für mich und meine Klientinnen und Klienten die Arbeit weiterführen.»

 

>Informationen zu den Schutzmassnahmen finden Sie in myEMR


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