EMR • RME – Qualität in der Erfahrungsmedizin
Was sich 2024 ändert: Neues EMR-Reglement

Bewegung heilt und stärkt: Sport- und Bewegungstherapie

Sport und Bewegung in der Rehabilitation sowie in der Gesundheitsförderung und -prävention sind gefragter denn je. Auch das EMR trägt dem Rechnung und hat deshalb die Sport- und Bewegungstherapie mit der Methodennummer 175 auf die neue Methodenliste für 2024 aufgenommen. Erfahren Sie von Ingrid Bise, selbst Sport- und Bewegungstherapeutin und Geschäftsführerin des Schweizerischen Verbands für Gesundheitssport und Sporttherapie (SVGS), der hinter der neuen Methode «Sport- und Bewegungstherapeut/in SVGS» steht, was diese auszeichnet.

Frau Bise, in welchen Bereichen wird die Sport- und Bewegungstherapie eingesetzt und was kann sie bewirken?

Photo

Ingrid Bise
SVGS-Geschäftsführerin

Die Sport- und Bewegungstherapie wird vom Zeitpunkt der Diagnose an bis zur Nachsorge, aber auch in der Prävention eingesetzt. Dies gilt für den orthopädischen Bereich sowie für die psychischen und inneren Erkrankungen. Richtig gewählte und dosierte Bewegung wirkt mehrdimensional und fördert so nicht nur die physische und psychische Gesundheit und/oder Genesung, sondern durch das Einbeziehen der sozialen Faktoren auch die Selbstwirksamkeit und die Bindung an einen aktiven und gesunden Lebensstil.

Sie wirkt somit wiederum auch präventiv und dies macht Sport- und Bewegungstherapie in der Rehabilitation und der Nachsorge so bedeutend. Der ganzheitliche Ansatz berücksichtigt die Wechselwirkung der verschiedenen Ebenen auf der Basis des bio-psycho-sozialen Modells (Zusammenwirken von Körper, Seele und sozialem Umfeld). Damit Sport- und Bewegungstherapie als «Medizin» wirkt und um die Wirksamkeit zu überprüfen, braucht es wissenschaftlich fundiert arbeitende Therapeutinnen und Therapeuten. Und Sport- und Bewegungstherapeutinnen und -therapeuten SVGS machen genau dies.

Wie bringen Sie Menschen in Bewegung, die sich kaum bewegen können oder dies nur ungerne tun?

Wir sind als Sport- und Bewegungstherapeutinnen und -therapeuten sowohl methodisch-didaktisch als auch in der Motivationspsychologie nach den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgebildet. Kurz gesagt, die Erfahrung der Patientin oder des Patienten «ich kann» beflügelt das «ich will» und bildet so die Grundlage der Umsetzung und des Transfers in den Alltag. Unsere Therapeutinnen und Therapeuten gehen gezielt auf die Bedürfnisse ihrer Klientel ein und setzen effizient dort an, wo es notwendig ist. Dazu stützen sie sich auf die Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation: ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health – Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit).

Wir haben alle mindestens einen Bachelor-Abschluss in Sport, Sportwissenschaften oder Gesundheitswissenschaften sowie das CAS Bewegungs- und Sporttherapie und dadurch ein sehr grosses Repertoire. Unsere Klientinnen und Klienten können sich so dank vielfältiger Massnahmen und sorgfältiger Instruktion und Begleitung Gesundheitskompetenz aneignen und die Vorteile eines aktiven Lebensstils erfahren. Das führt auch bei anspruchsvollen und herausfordernden Fällen zu einer positiven Einstellung, durch die eine nachhaltige Wirkung erzielt werden kann.

Wie verbreitet ist die Sport- und Bewegungstherapie in der Schweiz?

Sport- und Bewegungstherapie: Klettern

Sport- und Bewegungstherapie gibt es in der ganzen Schweiz. Im Vergleich zu anderen Ländern hinken wir allerdings etwas hinterher, was den gezielten Einsatz der Bewegung EIM (Exercise is Medicine – Bewegung ist Medizin) bedeutet. In den führenden Kliniken der Deutschschweiz sind Sport- und Bewegungstherapeutinnen und -therapeuten fest eingebunden in ein erfolgreiches Behandlungskonzept mit interdisziplinärer Zusammenarbeit mit den Bereichen psychische Erkrankungen, Orthopädie und innere Erkrankungen. Zusätzlich zur 1:1-Arbeit leiten sie ambulante Gruppen der Reha-Programme wie Herzgruppen oder Krebssportgruppen und tragen so zu einem wesentlichen Teil zur Gesundheitsversorgung bei chronischen und nichtübertragbaren Erkrankungen bei.

Eine Zunahme der Aktivitäten haben wir schweizweit im Bereich der psychischen Erkrankungen erfahren. Sport- und Bewegungstherapeutinnen und -therapeuten werden unter anderem als Fachpersonen für Stressfolgeerkrankungen sowohl in der Prävention als auch in der Therapie eingesetzt. Gerade in diesem Bereich wäre die ambulante Betreuung nach einem stationären Klinikaufenthalt sehr wichtig, um nachhaltig durch physische und psychische Stabilität die Anzahl Rückfälle zu verringern.

Als Expertinnen und Experten werden Sport- und Bewegungstherapeutinnen und -therapeuten zudem auch in den Bereichen der Betriebsgesundheit oder für Projektarbeit eingesetzt (u. a. bei Versicherungen).

Welche Bedeutung hat für Sie die Aufnahme der Sport- und Bewegungstherapie auf die EMR-Methodenliste?

Dadurch erhoffen wir uns eine Verstärkung unseres Wirkungsfeldes: Durch die Unterstützung ambulanter Angebote können wir zur langfristigen Senkung der Gesundheitskosten beitragen und der gezielten und richtig dosierten Bewegung die Bedeutung verleihen, die sie verdient. Viele Selbstzahlende und Versicherte mit einer hohen Franchise gehen nicht unbedingt zur Ärztin oder zum Arzt, um sich Physiotherapie verschreiben zu lassen, brauchen aber mehr als einfach nur mehr Training. Denn es ist entscheidend, wie trainiert wird. Falsches Training kann bei einem orthopädischen Problem schädlich sein.

Auch diesbezüglich wird durch die richtig dosierte und qualitativ hochstehende Durchführung der Intervention durch Sport- und Bewegungstherapeutinnen und -therapeuten ein wertvollerer Beitrag geleistet als bei einem normalen Personal Training. Die Bindung an einen aktiven Lebensstil kann durch wissenschaftlich gestützte sporttherapeutische Massnahmen und gezieltes Coaching erreicht werden, und Rückfälle können verhindert werden. Auf diese Weise werden in den ambulanten Bereichen wichtige Therapie- und Nachsorgeleistungen erbracht.

Mit welchen Argumenten überzeugen Sie einen Versicherer davon, die Sport- und Bewegungstherapie auszuwählen?

Kurz: Wirksam, zweckmässig, wirtschaftlich. Ein nachhaltig gesunder Lebensstil, der zu einer Senkung der Kosten im Gesundheitssystem führt, kann nur durch professionelles Fachpersonal gewährleistet werden. Eine Sport- und Bewegungstherapeutin SVGS oder ihr männliches Pendant hat das notwendige Kompetenzprofil und erfüllt die Kriterien für eine wissenschaftlich fundierte Durchführung und Evaluation der Therapie.

 

Der Verband, der hinter der neuen Methode steht

Der Schweizerische Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie (SVGS) ist Berufs- und Fachverband. Zur Erlangung des geschützten Titels Sport- und Bewegungstherapeut/in SVGS, der Voraussetzung für eine entsprechende EMR-Zertifizierung ist, bietet er für Fachpersonen mit Hochschulabschluss (BSc oder MSc) in den Bereichen Sport, Sportwissenschaften und Physiotherapie zwei Weiterbildungsprogramme mit CAS-Abschluss (Certificate of Advanced Studies) an: für eine Spezialisierung in Orthopädie/Rheumatologie/Traumatologie sowie für psychische Erkrankungen. Absolventinnen und Absolventen des Weiterbildungsprogramms CAS Bewegungs- und Sporttherapie bei inneren Erkrankungen der Universität Bern haben die Möglichkeit, das Zertifikat über das Äquivalenzverfahren des SVGS zu erlangen.

Die CAS-Weiterbildungsprogramme vermitteln theoretische und praktische Grundlagen für bewegungs- und sporttherapeutische Interventionen bei Patientinnen und Patienten in der stationären und ambulanten Rehabilitation sowie in der Sekundärprophylaxe (vorbeugende Massnahmen gegen das erneute Auftreten einer Krankheit). Die CAS werden unter der Trägerschaft der Universität Bern durchgeführt.

Der SVGS wurde 1997 gegründet und hat seinen Sitz in Zürich. Ziele des Verbands sind, die Sport- und Bewegungstherapie sowie eine sportwissenschaftlich begründete Gesundheitsförderung als Bestandteil des Gesundheitswesens Schweiz zu verankern und die Qualitätssicherung zu gewährleisten. Neben den CAS-Weiterbildungen organisiert der SVGS themenspezifische Fortbildungen in Bewegungstherapie und Gesundheitssport.


zurück