Newsletter - 2. Sonderausgabe August 2015

Warten auf den neuen Berufsabschluss KomplementärTherapie

Noch lässt er auf sich warten, der neue eidgenössische Berufsabschluss KomplementärTherapie. Aber der Entscheid über die Anerkennung steht kurz bevor. Dann gibt es in der Schweiz ein Berufsbild, das in Zukunft einen festen Platz im Schweizer Gesundheitssystem einnehmen kann. Davon ist Andrea Bürki, Präsidentin der Organisation der Arbeitswelt KomplementärTherapie OdA KT, fest überzeugt.

Frau Bürki, als Präsidentin der OdA KT warten Sie sicherlich sehnsüchtig darauf, dass das SBFI endlich grünes Licht gibt für den neuen Berufsabschluss KomplementärTherapeutIn mit eidgenössischem Diplom. Wie überbrücken Sie die Wartezeit? 

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Andrea Bürki ist seit 2012 Co-Präsidentin, seit 2014 Präsidentin der OdA KT (Organisation der Arbeitswelt KomplementärTherapie) und seit 2007 Präsidentin des Berufsverbandes für Kinesiologie KineSuisse.

Das Warten hat sicherlich bald ein Ende. Ich rechne damit, dass das SBFI in den nächsten Wochen den Entscheid betreffend Genehmigung unserer Prüfungsordnung bekannt gibt. Nach der Genehmigung kann die Publikation der nächsten Fassung der Prüfungsordnung mit weiteren, von der OdA KT anerkannten Methoden erfolgen. Und die erste Höhere Fachprüfung für KomplementärTherapeutInnen kann endlich ausgeschrieben werden! Seit der Publikation der Prüfungsordnung im August letzten Jahres haben wir unsere Organisation im Hinblick auf eine operative Tätigkeit umstrukturiert und uns darauf konzentriert, die in der Hoheit der OdA stehenden Verfahren zur Methodenanerkennung, zur Akkreditierung von Ausbildungen im Bereich KomplementärTherapien und zur Gleichwertigkeit Branchenzertifikat fertig zu stellen.

Voraussichtlich ab September 2015 können sich die Praktizierenden einer von der OdA KT anerkannten Methode über unsere Webseite für das Verfahren Gleichwertigkeit Branchenzertifikat anmelden. Es ist ein Verfahren «sur dossier», in dem die Praktizierenden nachweisen müssen, dass ihre Bildungsleistungen den Anforderungen der neuen Ausbildung entsprechen. Den Praktizierenden der Mitgliedverbände der OdA KT wird auf die Verfahrenskosten ein Rabatt gewährt. Das Reglement sieht zudem grosszügige Übergangsbestimmungen für bereits Praktizierende vor. So kommt zum Beispiel im Rahmen der Äquivalenzen zum Tronc Commun KomplementärTherapie der Nachweis einer bestehenden EMR-Registrierung zum Tragen.

Ebenfalls im Herbst eröffnen wir das Verfahren zur Akkreditierung von KomplementärTherapie-Ausbildungen. So hat auch das Warten für die Ausbildungsinstitute bald ein Ende.

Die Methodenanerkennung ist ebenfalls weit fortgeschritten. Der Vorstand der OdA KT konnte bereits 13 Methoden aufgrund der von den Trägerschaften (Methodenverbänden) eingereichten Methodenidentifikationen als Methoden der KomplementärTherapie anerkennen. Diese Methoden sind auf der Webseite der OdA KT publiziert.

Die OdA KT nimmt selbstverständlich auch die Aufgabe wahr, den neuen Beruf gut zu positionieren, indem sie zum Beispiel versucht, für bereits Praktizierende und für künftig zertifizierte und diplomierte KomplementärTherapeutInnen einen möglichst freien Zugang zum Arbeitsmarkt in allen Kantonen zu sichern.

Im Berufsbild KomplementärTherapeutIn sind eine Vielzahl von Methoden wie zum Beispiel Craniosacral-Therapie und Yoga zusammengefasst. Wie lassen sich diese unterschiedlichen Methoden unter dem Dach eines Berufsbilds vereinen?

Schon zu Beginn des Berufsbildungsprozesses hat der Bund die klare Vorgabe gemacht, dass die verschiedenen Methoden in unserem Bereich lediglich durch einen einzigen eidgenössischen Berufsabschluss zu reglementieren sind.

Es ist fantastisch, dass die beteiligten Verbände es gemeinsam geschafft haben, trotz der Vielfältigkeit der Methoden ein Berufsbild, ein Kompetenzprofil zu definieren, in dem sich alle wiederfinden. Dies wurde möglich durch die grosse Bereitschaft aller Beteiligten, das Verbindende herauszukristallisieren, ohne dabei die Eigenheiten und unterschiedlich gewachsenen Kulturen zu übergehen. Wie der Prozess der Methodenanerkennung gezeigt hat, ist das Berufsbild jedoch trotz der übergeordneten «Flughöhe» klar und präzise genug, sodass eine Abgrenzung zu anderen Berufsfeldern erkennbar ist. Eine ebenso wichtige Rolle spielen auf der Ebene der einzelnen Methoden die Methodenidentifikationen. Diese wurden mit grossem Engagement von den Verbänden nach Vorgaben der OdA KT formuliert. Das Beschreiben der Methoden und die Definition der für die Ausbildung relevanten, methodenspezifischen Aspekte war ein wichtiger Schritt für die Identitätsbildung.

Das Interesse an erfahrungsmedizinischen Behandlungsangeboten nimmt seit Jahren zu. Das zeigt nicht zuletzt auch die stetig steigende Zahl der beim EMR registrierten Therapeutinnen und Therapeuten. Was macht die Erfahrungsmedizin so populär? Was sind in Ihren Augen die Stärken und Schwächen?

Das Ergebnis der eidgenössischen Abstimmung «Zukunft mit Komplementärmedizin» hat deutlich gezeigt, dass es einem Bedürfnis der Schweizer Bevölkerung entspricht, sich mit Methoden der Erfahrungsmedizin behandeln zu lassen. Ich spreche in diesem Zusammenhang weniger von Popularität, sondern stelle fest, dass die Erfahrungsmedizin dem Bedürfnis vieler Menschen nach einem individualisierten Angebot offensichtlich nahe kommt. Der ganzheitliche Ansatz, die Klientenzentrierung und die im Vordergrund stehende Stärkung der Selbstregulation sind unter anderen ganz klar die Stärken der erfahrungsmedizinischen Methoden.

Die Berufsreglementierung erlaubt es uns, einigen Schwächen entgegenzutreten: Ein eidgenössischer Abschluss definiert die Anforderungen und Standards der Ausbildungen, erleichtert den KlientInnen die Orientierung bei den therapeutischen Angeboten und ermöglicht, dass unsere Therapieangebote künftig leichter Eingang in Institutionen des Gesundheitswesens finden. Stellenwert sowie Akzeptanz der KT-Methoden werden gefestigt.

« Der ganzheitliche Ansatz, die Klientenzentrierung und die im Vordergrund stehende Stärkung der Selbstregulation sind unter anderen ganz klar die Stärken der erfahrungsmedizinischen Methoden. »

Welchen Stellenwert hat die Qualitätssicherung in diesem Bereich? Welche Bedeutung hat dabei das EMR?

Qualitätssicherung und -entwicklung haben ganz klar einen hohen Stellenwert. In unserem äusserst heterogenen Feld, in dem die Zahl der Praktizierenden in den letzten 20 Jahren stark zugenommen hat, nahmen und nehmen sowohl die Methoden- und Berufsverbände als auch das EMR betreffend Qualitätssicherung und -entwicklung eine zentrale Rolle ein. Der vom EMR festgelegte einheitliche Standard betreffend Aus- und Weiterbildung hat zum einen das Berufsfeld geformt, zum anderen ermöglicht die Registrierung beim EMR den Praktizierenden den Zugang zu vielen Versicherern.

Mit der Schaffung der eidgenössisch anerkannten Diplome stehen nun die Organisationen der Arbeitswelt in der Pflicht, Standards für Ausbildungen und Prüfungen zu definieren und die entsprechenden Anforderungen an die Ausbildungsinstitute (z.B. Edu-Qua-Zertifizierung) zu stellen. Als OdA sind wir dafür zuständig, die Qualitätssicherung für die eidgenössisch Diplomierten auf einer Ebene sicher zu stellen, die dem Berufsbild und den staatlichen Vorgaben entspricht. 

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich für das Gesundheitssystem der Zukunft wünschen?

Zunächst wünsche ich mir natürlich, dass zertifizierte und diplomierte KomplementärTherapeutInnen mit ihren Angeboten einen festen Platz im Gesundheitssystem einnehmen. Ganz klar wüsche ich mir auch ein Gesundheitssystem, das finanzierbar ist, ein Gesundheitswesen, das eine Zusammenarbeit sowie einen fachlichen Austausch zwischen Ärzten, Naturheilpraktikern, KomplementärTherapeuten und anderen Leistungserbringern als selbstverständlich betrachtet. Gerne zitiere ich die vom Bundesamt für Gesundheit BAG in der nationalen Strategie zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten festgehaltene Vision: «Mehr Menschen bleiben unabhängig von ihrem sozioökonomischen Status gesund oder haben trotz chronischer Krankheit eine hohe Lebensqualität. Weniger Menschen erkranken an vermeidbaren nichtübertragbaren Krankheiten oder sterben vorzeitig. Die Bevölkerung ist befähigt, gesundheitsförderliche Lebenswelten zu gestalten sowie einen gesunden Lebensstil zu pflegen.»
(Im Rahmen von "Gesundheit 2020" verfasste Strategie, zurzeit in Vernehmlassung)

Ich bin überzeugt, dass die KomplementärTherapie einen grossen Beitrag zur Erreichung dieser Ziele leisten kann.


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