EMR • RME – Qualität in der Erfahrungsmedizin
Um Konflikte zu lösen: Ombudsstelle geschaffen

Tipps für den gekonnten Umgang mit Reklamationen

Sich beschweren ist «schwer» – sowohl für den, der sich beschwert, als auch für denjenigen, der die Beschwerde entgegennimmt. Um Reklamationen im Praxisalltag zu meistern, braucht es vor allem zwei Dinge: eine professionelle Haltung und die richtige Vorgehensweise. Tipps dazu gibt dieser Beitrag.

Photo
 
 

Auch bei bester Planung und Organisation lässt es sich im Praxisalltag nicht vollständig vermeiden, dass sich gelegentlich eine Patientin oder ein Patient beschwert. Der richtige Umgang mit Beschwerden in der Praxis ist eine Herausforderung, emotional wie auch kommunikativ. Damit ein professionelles Verhalten gelingt, braucht es vor allem eine konstruktive, positive Einstellung gegenüber der Reklamation.

Beschwerde als Chance sehen

«Wer mir schmeichelt, ist mein Feind, wer mich tadelt mein Freund» lautet ein chinesisches Sprichwort. Der Patient, der sich über eine lange Wartezeit beschwert oder mit einer Abrechnung nicht einverstanden ist, gibt der Therapeutin die Chance, Fehler und Schwachstellen in der täglichen Arbeit zu erkennen und zu verbessern.

Wer mit Beschwerden konstruktiv umgeht, tut ausserdem viel für den guten Ruf seiner Praxis. Denn auf einen Patienten, der sich beschwert, kommt eine hohe Dunkelziffer von anderen, die ihren Ärger nicht offen äussern, zumindest nicht gegenüber der Therapeutin oder dem Therapeuten. Stattdessen gehen sie in eine andere Praxis. Oder sprechen mit Dritten über ihre negativen Erfahrungen. Meinungsforscher haben herausgefunden, dass ein Unzufriedener im Durchschnitt mit elf anderen Personen über seinen Ärger spricht. Die negative Information über die Praxis multipliziert sich auf diese Weise und kann sich nachteilig auf die wichtige Mund-zu-Mund-Propaganda auswirken.

Wenn jedoch der Dialog mit dem Patienten gelingt und sein Problem gelöst werden kann, wird aus dem unzufriedenen ein zufriedener Kunde, der wiederkommt und die Praxis weiterempfiehlt. Damit wird der richtige Umgang mit Beschwerden auch zu einem wichtigen Marketing-Instrument für die Praxis.

Oberstes Gebot: Ruhe bewahren

Die folgenden Tipps können helfen, Reklamationen in der Praxis professionell zu meistern.

    • Im Vorfeld: Entwickeln Sie Strategien für den Umgang mit Beschwerden. Trainieren Sie schwierige Gesprächssituationen und wie Sie wütenden Patienten am besten begegnen.
    • Überlegen Sie, wie Sie damit umgehen, wenn ein Patient beleidigend wird oder sich unangemessen verhält. «Ich möchte nicht, dass Sie in diesem Ton mit mir reden. Vielleicht ist es besser, wenn wir uns zu einem anderen Zeitpunkt in Ruhe darüber unterhalten.»
    • Bleiben Sie ruhig und gelassen. Unterbrechen Sie Ihre Tätigkeit und nehmen Sie Blickkontakt mit dem Patienten auf.
    • Nehmen Sie jede Beschwerde ernst und gehen Sie freundlich und so schnell wie möglich darauf ein. Falls das nicht machbar ist, vereinbaren Sie einen naheliegenden Gesprächstermin.
    • Lassen Sie sich nicht provozieren und nehmen Sie die Beschwerde nicht persönlich. Wer eine Beschwerde als persönlichen Angriff empfindet, reagiert mit Verteidigung oder Gegenangriff. Das hat meist zur Folge, dass das Gespräch nicht lösungsorientiert verläuft, sondern eher unangenehm.
    • Hören Sie dem Patienten aktiv zu und lassen Sie ihm Zeit, seinen Ärger auszudrücken.
    • Versuchen Sie nicht, den Patienten zu beschwichtigen.
      «Jetzt regen Sie sich nicht so auf, es ist gar nicht so schlimm.»
      «Stellen Sie sich nicht so an.»
    • Zeigen Sie Verständnis und sprechen Sie die Gefühle des Patienten offen an.
      «Sie sind sehr verärgert, weil...»
      «Es tut mir leid, dass Sie so aufgebracht sind.»
      «Ich verstehe, dass Sie sich ärgern.»
    • Finden Sie den sachlichen Grund für die Beschwerde heraus.
      «Was genau ist passiert?»
    • Es ist etwas schief gelaufen? Geben Sie Fehler offen zu und entschuldigen Sie sich dafür.
    • Finden Sie gemeinsam mit dem Patienten eine Lösung.
      «Was erwarten Sie jetzt von mir?»
      «Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?»
      «Wie lösen wir das Problem am besten?»
    • Eine Lösung ist nicht sofort oder gar nicht möglich? Erklären Sie mit glaubhaften Argumenten, warum das so ist.
      «Ein Notfall wurde vorrangig behandelt...»
    • Legen Sie gemeinsam mit dem Patienten die nächsten Schritte fest.
      «Sind Sie damit einverstanden, wenn wir jetzt...?»
    • Danken Sie dem Patienten für seine Offenheit und seine Kritik.

Zu guter Letzt: Lässt sich eine Patientin oder ein Patient trotz aller Bemühungen nicht auf ein konstruktives Gespräch ein oder wird unverschämt, aggressiv oder beleidigend, machen Sie Ihre Grenzen deutlich und beenden Sie das Gespräch. «In diesem Ton möchte ich nicht mit Ihnen sprechen.» und «Bitte verlassen Sie jetzt die Praxis.» Dokumentieren Sie den Fall in der Patientendokumentation und informieren Sie gegebenenfalls Ihre Chefin oder Ihren Chef.

Zum Weiterlesen
  • Friedrich Glasl: Konfliktmanagement: Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater; Verlag Freies Geistesleben, 11. Auflage, 2017
  • Friedrich Glasl: Selbsthilfe in Konflikten: Konzepte - Übungen - Praktische Methoden; Verlag Freies Geistesleben, 8. Auflage, 2007
  • Marschall B. Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens; Junfermann Verlag, 12. Auflage, 2016
  • Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden 1-4: Störungen und Klärungen / Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung / Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation / Fragen und Antworten; Rohwohlt Taschenbuch, 1. Auflage, Sonderausgabe, 2019
  • Paul Watzlawick, John H Weakland, Richard Fisch: Lösungen: Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels; Hogrefe AG, 8. Auflage, 2013
Ombudsstelle Erfahrungsmedizin

Lässt sich ein Konflikt mit einer Patientin oder einem Patienten nicht im Gespräch lösen, steht die Ombudsstelle Erfahrungsmedizin als neutrale Anlaufstelle zur Verfügung.

Für Patientinnen und Patienten von EMR-Therapeutinnen und -Therapeuten ist die erste telefonische Beratung kostenlos. Um dieses Angebot in Anspruch nehmen zu können, muss die Patientin oder der Patient beim Kontakt mit der SPO unbedingt darauf hinweisen, dass die Behandlung bei einer EMR-Therapeutin oder bei einem EMR-Therapeut durchgeführt wird bzw. wurde.

Informationsmaterial zum Auslegen in der Praxis gibt es in Ihrem Nutzerkonto auf myEMR:
>www.myemr.ch > Services > Ombudsstelle Erfahrungsmedizin

Kontakt
Telefon: 044 252 54 22, Montag bis Donnerstag von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr
Website: www.spo.ch


zurück