EMR • RME – Qualität in der Erfahrungsmedizin
Um Konflikte zu lösen: Ombudsstelle geschaffen

Neue Ombudsstelle stärkt die Patienteninteressen

Mit dem gemeinsamen Ziel, die Interessen der Patientinnen und Patienten im Bereich Erfahrungsmedizin zu stärken, haben das EMR und die SPO Schweizerische Patientenorganisation die erste Ombudsstelle für Erfahrungsmedizin ins Leben gerufen. Patientinnen und Patienten wird damit eine unabhängige Anlaufstelle geboten, an die sie sich bei Konflikten im Bereich Erfahrungsmedizin wenden können. Welchen Nutzen hat die Ombudsstelle für EMR-Therapeutinnen und -Therapeuten? Informationen dazu von Dr. med. Daniel Tapernoux, Facharzt für Innere Medizin und Mitglied der Geschäftsführung der SPO ad interim.

Herr Tapernoux, die neue Ombudsstelle Erfahrungsmedizin ist die erste in diesem Bereich des Gesundheitswesens. Warum braucht es solch eine Anlaufstelle?

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Daniel Tapernoux
Mitglied der Geschäftsführung der SPO ad interim

Die Erfahrungsmedizin ist ein stetig wachsender Bereich des Schweizer Gesundheitswesens, der sich zunehmend professionalisiert. Erfahrungsmedizinische Behandlungen entsprechen einem grossen Bedürfnis in der Schweizer Bevölkerung.

Patientenrechte wie zum Beispiel das Recht auf Aufklärung oder Selbstbestimmung gelten auch für die Erfahrungsmedizin. Das Angebot einer Ombudsstelle kann zu einer Stärkung der Patientenrechte und zu mehr Selbstbestimmung seitens der Patientinnen und Patienten führen.

Konflikte sind in therapeutischen Beziehungen unvermeidbar. Langjährige, gute Erfahrungen aus der Medizin zeigen den Nutzen von unabhängigen Ombudsstellen. Es ist sehr wichtig, dass sich Patientinnen und Patienten mit Problemen an eine externe, neutrale Stelle wenden können. Bereits das Wissen um eine solche Möglichkeit kann Rückwirkungen im Sinn einer Verbesserung der Therapeut-Patienten-Beziehung haben.

Welchen Nutzen hat die Ombudsstelle für EMR-Therapeutinnen und -Therapeuten?

Vielleicht ist es für Therapeutinnen und Therapeuten teilweise ungewohnt, Patientinnen und Patienten auf eine Stelle hinzuweisen, wo sie sich melden können, wenn sie ein Anliegen haben, dass sich nicht im direkten Gespräch lösen lässt. Aber die Ombudsstelle bietet auch für Therapeutinnen und Therapeuten eine Chance, bei unlösbaren Konflikten wie zum Beispiel bei Kommunikationsschwierigkeiten oder Missverständnissen auf eine neutrale Stelle zur Vermittlung zu verweisen. Das Angebot kann ausserdem das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die Professionalität der Therapeutinnen und Therapeuten stützen.

Wer sind die Beraterinnen?

Die meisten Beraterinnen der SPO kommen aus der Pflege und bringen Zusatzausbildungen wie zum Beispiel in der Intensiv- oder Anästhesiepflege mit. Ebenfalls verfügt ein grosser Anteil von ihnen über eine mehr- bis langjährige Erfahrung in der Beratung von Patientinnen und Patienten bei Problemen mit Ärzten und Spitälern. Derzeit arbeiten wir daran, ein Netzwerk von beratenden Experten im Bereich Erfahrungsmedizin aufzubauen.

Wie läuft eine Beratung üblicherweise ab?

Meist erfolgt ein telefonischer Erstkontakt, bei dem das Geschehen gemäss subjektiver Schilderung der Patientin oder des Patienten erfasst wird. In diesem Gespräch können gemeinsam mit der betroffenen Person bereits erste Lösungs- und/oder Vorgehensmöglichkeiten besprochen werden. Dabei wird in erster Linie eine Rücksprache mit der EMR-Therapeutin bzw. dem -Therapeuten empfohlen. Unter bestimmten Umständen erfolgt auch eine Weiterempfehlung an spezialisierte Beratungsstellen.

Bei Bedarf holen wir nach dem Erstgespräch interne und externe Informationen ein, entweder in unserem Netzwerk und/oder im Gespräch mit der EMR-Therapeutin oder dem -Therapeuten. Allenfalls kann danach ein zweites Beratungsgespräch mit der Patientin oder dem Patienten erfolgen. Falls notwendig, zum Beispiel bei Verständigungsschwierigkeiten, sind auch persönliche Gespräche in einer unserer Beratungsstellen möglich.

Was empfehlen Sie den EMR-Therapeutinnen und -Therapeuten, wann sollten Sie einen Patienten an die Ombudsstelle verweisen?

Aus meiner persönlichen Erfahrung als Arzt würde ich empfehlen, dass die Therapeutinnen und Therapeuten dann ihrer Patientin oder ihrem Patienten zu einer Kontaktaufnahme mit der SPO raten, wenn beispielsweise deutlich wird, dass sich die Situation in einem Gespräch nicht klären lässt und/oder wenn der Eindruck entsteht, die Therapeutin oder der Therapeut könne das Geschehene nicht mehr mit genügender Distanz objektiv beurteilen.

Bekommt die Therapeutin oder der Therapeut ein Feedback, ob das Problem gelöst oder auch nicht gelöst wurde?

Wir versuchen möglichst zu erreichen, dass sich entweder die Patientinnen und Patienten direkt bei der Therapeutin bzw. dem Therapeuten melden oder dass diese von uns ein Feedback erhalten. Als Patientenorganisation sind wir diesbezüglich aber an den Willen bzw. das Einverständnis der Patientinnen und Patienten gebunden. Das heisst, es wird mit grosser Wahrscheinlichkeit Fälle geben, bei denen dies nicht möglich sein wird und bei denen wir – gestützt auf die Vertraulichkeitszusicherung an die Patientin oder den Patienten – auch keine Auskunft erteilen dürfen. Denn wir sind nur dann als Organisation und Ombudsstelle glaubhaft und vertrauenswürdig, wenn wir den Patientinnen und Patienten diese Zusicherung geben. Wir hoffen diesbezüglich auf das Verständnis der betroffenen Therapeutinnen und Therapeuten.

Worauf sind Sie gespannt, wenn Sie an Ihre Tätigkeit als Berater für die neue Ombudsstelle denken?

Gespannt bin ich darauf, Neues über die verschiedenen erfahrungsmedizinischen Methoden dazuzulernen. Einige dieser Methoden sind mir als «klassischer» Mediziner wenig vertraut, ich sehe aber das grosse Bedürfnis der Menschen nach solchen Alternativen. Gerade weil ich mich bei der SPO mehrheitlich mit den Schattenseiten der Schulmedizin auseinandersetze und aufgrund positiver Erfahrungen in meinem Umfeld hat sich meine Einstellung diesbezüglich in den letzten Jahren geändert.


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